12. Juni 2007

Camping und ein Biosphärenreservat

Es war ein spontaner Entschluss, in diesem Jahr einen Stellplatz auf einem Campingplatz in der Nähe von Brodowin zu mieten und einen Wohnwagen drauf zu stellen. Auch, weil es eine prima Zuflucht für gestresste Städter mit echtem Erholungseffekt ist.
Dieser Campingplatz ist nicht der typisch deutsche Campingplatz mit Geranienbetten, Gartenzwergen und Partyterasse mit angeschlossenem Skat- und Clubraum. Die Gemarkung Brodowin mit einer Fläche von rund 1.000 ha ist Teil des „Biosphärenreservates Schorfheide Chorin“. Auf und um den Platz gibt es ca. 20 sehenswerte Bäume die zum Teil zwischen 350 und 600 Jahre alt sind. Die meisten Camper gehören dem Naturfreunde Camping-Verein an. Ich war in dem Glauben, dass ein besonderes Interesse des Vereins und seiner Mitglieder vorhanden wäre, die Campingfläche in der freien Natur auch zu schützen und zu pflegen. So ist ein Grundprinzip auf dem Platz, es gibt keine festen Strom-, Wasser- und Abwasseranschlüsse für die Wohnwagen. Einige Vereinsmitglieder kümmern sich erfolgreich um die Vogelwelt, in dem Sie Brut und Nistplätze in einem besonders geschützten Teil des Sees angelegt haben. Ein versteckter Hochstand gehört dazu, von dem die seltenen Vögel beobachtet werden können.
Das große Aber existiert auf diesem Campingplatz dennoch.
Denn, ein Verständnis über das Wie der Bewahrung und Pflege einer so alten und beeindruckenden Natur in einem Biosphärenreservat scheinen die meisten aller Vereinsmitglieder nicht zu haben. Auch die Satzung ist zu dieser Frage nur allgemein gehalten. So irritieren die Erlebnisse, die ich in der kurzen Zeit hatte.
So beispielsweise, als
ich die Naturterrasse vor und um den Wohnwagen rekultivierte und die Brennnesseln entfernte. Von einem alten Dauercamper und Vereinsmitglied wurde ich angesprochen und ermahnt, nicht zu viel von den Brennnesseln weg zu nehmen. Schließlich gehöre dies zum Biosphärenreservat! Letzteres war mir klar, weshalb ich den Natur gewachsenen Sträucher ein weiterhin freies wachsen ermöglichen wollte. Ich war zunächst sprachlos. Auch dann noch, als der „Nachbar“ 20 Minuten später seinen frisch abgemähten Kulturrasen vorbei karrte.
Ein Spazier- und Erkundungsgang über den Platz brachte zu Tage, dass am anderen Ende in einer Ecke 4 Nachbarn sich gefunden und exzellenten Golfrasen angebaut haben. Anderen Orts wurden etliche, dem Reservat fremde Kulturen von Kleinsträucher in die Erde verbracht, die sogar noch die Typenschilder vom Baumarkt tragen. Zwei Funkantennen ragen aus 2 Bäumen weit sichtbar hinaus. Einzelne Nachbarn kippen ihr Spülwasser in unbeobachteten Momenten hinters Haus, anstatt es wegzubringen.
Die Krönung war allerdings, als zur Säge gegriffen und einer Eiche die untersten 7 Äste entfernt wurden. Ich stand sprachlos daneben, was ich sonst nicht bin. Hintergrund für die Sägemeister war, dass die auf den Baum kletternden Kleinkinder von dort in „Nachbars Grundstück“ schauen konnten und man sich gestört fühlte!
Es mag sich um die üblichen Nachbarschaftsstreitigkeiten handeln. Die alten Campingfreunde scheinen hier das Sagen zu haben und eine eigene Ordnung durchsetzen zu wollen. Dem Vernehmen nach gibt es auch nicht gerade kleine Unstimmigkeiten zwischen den Vereinsmitgliedern. Aber wie das Prinzip eines Biosphärenreservat und das Leben eines Campingplatzes für Naturfreunde zu vereinbaren ist, scheint unklar zu sein. Scheinbar gibt es keine wirklichen Konzepte, an die sich alle Dauercamper halten und auch danach ernsthaft leben.

Bei diesen Erlebnissen sind mir meine Erinnerungen an den größten privaten Naturschutzpark Parque Pumalin eingefallen, den ich 2005 besuchte. Gegründet wurde das riesige Schutzgebiet mit 270.000 ha von dem nordamerikanischen Millionär Douglas Tompkin (gründete The North Face, und machte ESPRIT weltweit erfolgreich). Er beschloss, mit dem Geld aus dem Verkauf seiner Hälfte der Firma einen privaten Naturschutzpark in Chile zu schaffen. Über 14 Mio. USD hat er in das Projekt gesteckt. Weite Teile der Wälder sind nicht zugänglich und das soll auch so bleiben. Nur in einem kleinem Teil gibt es Pfade und Wanderwege. Es ist ohnehin schwer, dort hin zu kommen. Denn, der Park liegt an der Carretera Austral. Das Konzept beinhaltet ein Informationszentrum (Information und Umwelterziehung) in Calleta Gonzalo, in dem das Projekt vorgestellt wird. Andererseits werden Menschen, die in unmittelbarer Umgebung des Parks leben, die Möglichkeiten verschaffen, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen, ohne den Wald zu schädigen. So wird u.a. organische Landwirtschaft betrieben. Statt Rinder mit scharfen Hufen, die die Vegetation stören, werden jetzt Schafe gehütet, die gleichzeitig Wolle für Pullover, Decken etc, liefern und im Informationszentrum reißenden Absatz finden.

Es ist ein wunderschöner Park. Als ich mich dort aufhielt, hatte ich das Gefühl, es gibt gar keine andere Welt. Zumal für den dreitägigen Ausflug als Ausgangsort Chaiten diente.
Wieder einmal sind die Welten so unterschiedlich. Und auf diesem Campingplatz auch. Doch, wer sagte den Campern auf dem Platz, dass dies mit der Natur so nicht vereinbar ist und bitte ein Umdenken einsetzen muss?

1 Kommentar:

Stefan hat gesagt…

Ich habe mich entschlossen, hier nicht mehr den vollständigen Namen des Vereins zu nennen und habe ihn deshalb heraus genommen. Einige ganz wenige haben diesen Post in den letzten Monaten falsch verstanden und seit dem der Verein den Platz seit Anfang des Jahres pachten konnte, verändert sich vieles im positiven Sinne, getragen und angetrieben vom Verein. Das macht mich froh. Auch wenn mir am letzten Wochenende Tagescamper begegnet sind, die die Freude um diesen wahrlich einmalig schönen Campingplatz in der freien Natur teilen, mir aber dann doch von vereinzelten "Kübelpflanzen" erzählten, die hier nicht so recht hin passen würden.
Ich habe sie in diesem Jahr noch nicht gesichtet. Es ist und bleibt ein schöner Platz, um den sich viele Camper sehr mühen.