18. Februar 2009

Philematologie

Ich sitze im Flieger, auf Sitz 7 F, in den Reihen derer, die wohl nur da vorne sitzen weil sie beim Aussteigen unbedingt die Ersten sein müssen, als erste ihre Handys nach der Landung anknipsen. Schon auf dem Hinflug war es mir nach der Landung zu hecktisch, auf 7 F. Schaute erstaunt zu, wieviel Leute in solch einen Gang passen, sich drängeln und sich gegenseitig verhäckeln beim Gepäck aus der Ablage zerren und dicken Wintermantel anziehen, sich nur unmerklich gegenseitig im Weg stehen. Hinten geht es irgendwie entspannter zu. Bin ich auch nur 10 Minuten später draussen. Na und? Hab ich was verpasst? Wohl kaum.
Freu mich auf zu Hause und will mich während des 60 minütigen Rückflugs in Gedanken verlieren. Will nicht schlafen auch keine Snacks aus dem Bordangebot und schon gar kein Boardmagazin lesen. Eigentlich will ich garnichts. Doch da sehe ich in der Zeitung die in der Reihe vor mir hochgehalten wird, diese mittelgroße Zeilenüberschrift, die über "Süddeutsche Zeitung" steht: "Männer tun es anders - die Wissenschaft vom Küssen / Wissen". Nach einer Minute bitte ich den Sitznachbarn nochmal aufzustehen. Die Zeitung will ich jetzt auch haben. Fange dann aber doch an, die Zeitung systematisch von vorne bis hinten zu lesen. Als ich fertig bin, hatte ich den Artikel nicht gefunden. Denn in dieser engen Sitzhaltung wird die Zeitung ganz anders gehalten, die Seiten nicht umgeblättert, sondern geknifft, geklappt, umgeklappt, gewendet und einfache Seiten raus gezogen und die Reihenfolge der Blätter in eine neue Reihenfolge gebracht. Da ist mir doch glatt die Seite "Wissen" durch fehlerhafte Abfolge des faltens, kniffens und umklappen ohne umzuschlagen quasi verloren gegangen bzw. hab ich sie nicht gefunden. Der Flieger bewegt sich die nächste Zeit nicht weg, steht immer noch am Gate, wir sind Nr. 15 wie der Pilot verlauten lässt, denn die Start- und Landebahn wird ständig gesperrt, von Eis und Schnee befreit ... so lese ich in den folgenden knapp 1,5 Stunden die ganze Zeitung, in München, über Kurt Krömer und Herrn Sarazzin. Zwei wie sie nicht unterschiedlicher sein können aber beide zu Berlin gehören. Zum Schluss liegen beide komischer Weise so vor mir ...Ist ja auch irgendwie schön und sympathisch.
Achso, dann war ja noch der Artikel, weshalb ich die Zeitung haben wollte. Es ist tatsächlich so, das Männer anders küssen als Frauen. Philematologie ist die Wissenschaft vom Küssen. Wieder was dazu gelernt. Jetzt fliegen wir auch endlich ab und ich kann mich in meinen Gedanken verlieren. Nehme dann später doch was zum knabbern und trinken aus der Boardbar.

15. Februar 2009

roter Teppich


Die Berlinale ist zu Ende und am Ende gibt es "close up" im co|berlin. Junge Fotojournalisten zeigen, was sie während der Berlinale am roten Teppich, davor, dahinter, daneben gesehen und im Foto festgehalten haben. Kosslik erzählt dann immer schöne Anekdoten.
Ein roter Teppich kann auch tot sein, wenn die Journalisten ihn nicht zu dem machen, was es dann später zu sehen gibt und was sich darauf abgespielt hat.
In den Bildern des Wettbewerbes sind selten die Stars der Berlinale zu sehen. Meistens sind es die Leute, die davor, dahinter, daneben oder in relativer Entfernung des roten Teppichs stehen, warten, bei jedem Wetter und zu jeder Zeit. Kosslik merkt sich die Leute, die dort immer stehen und denen er während des Festivals dann täglich begegnet. Die Menschen, die unscheinbar sind, sind dann für ihn scheinbar. Dass über 270.000 Leute auf der Berlinale Filme gesehen haben, meint er, ist interessant, in diesen Zeiten, wo es wohl sonst nirgends etwas zu sehen gibt und die Berlinale ja eigentlich auch nur schlimme Sachen in ihren Filmen zeigt.
Der diesjährige Gewinner des Wettbewerbs war Benedikt Brandhofer; im Bild auf dem roten Teppich stehend.

10. Februar 2009

Ausmodus

Wie es ist, wenn Raucher aufhören zu rauchen und wie schwer es ihnen vielleicht fällt, und ob sie Entzugserscheinungen haben und wie es einem mit Entzugserscheinungen ergeht, kann ich nicht beurteilen. Denn ich habe es nicht durchlebt. Aber den Fernseher nicht mehr anzumachen, bewirkt definitiv keine Entzugserscheinungen. Ich spüre keine.
Vor 5 Wochen habe ich beschlossen, meinen Fernseher einfach nicht mehr einzuschalten. Vor einer Woche fiel mir auf, ich könnte auch den Stand-by Modus ausschalten. Ich habe es getan.
Hin und wieder schau ich ihn an und frage mich, wie lange soll er da eigentlich noch so rumstehen? Eigentlich haben wir uns bisher ganz gut vertragen. Er hat mir manchmal was erzählt und gezeigt, ich mochte nicht immer alles, von dem was er so abspielte. Aber es war ja einfach. Ich habe entweder nicht hingehört, nicht hingeschaut oder habe das Zimmer einfach verlassen. Es war aber auch nicht so, das ich nicht gern Fernsehen geguckt habe. Ich gucke gern deutsche Spielfilme. Im Kino sind sie aber noch besser. Talkshow´s habe ich schon ewig nicht mehr gesehen. Zu Zeiten von Talk im Turm mit Erich Böhme, hatten Talkshow´s noch eine andere Bedeutung und einen Unterhaltungswert, der heute vergleichbar nicht mehr vorhanden ist. Nachrichten lese und sehe ich auch im Internet. Radio läuft sowieso.
Es war immer ein gemeinsames Leben, in dem keiner den anderen gestört hat. Deshalb darf er da jetzt auch stehen bleiben. Und vielleicht schalte ich ihn irgend wann doch wieder ein. Vielleicht aber auch nicht. Auf jeden Fall geht´s auch ohne und mir fehlt auch nichts. So einfach ist das.