14. Januar 2009

Philosophie einer Warteschleife

Kenne ich noch irgend eine größer Firma, Institution oder Behörde, die sie nicht hat? Die Warteschleife am anderen Ende der Telefonleitung, statt einer freundlichen Dame von der Vermittlung, die spätestens nach dem dritten Klingeln abnimmt und mit mir spricht? Einen Moment bitte, ich verbinde Sie!
In den letzten Tagen habe ich einige Service- und Haupt-Nummern anrufen müssen, wurde sogleich mit der Warteschleife verbunden. und habe mir schreckliche Musik, Bandansagen und sonstwas anhören müssen.
Es kann nerven, wenn ein Steuerberatungsbüro noch immer die kleine Nachtmusik wie einen monotonen Klingelton abspielt und "zwischendurch" nochmal und nochmal. Bei einer Krankenkasse wurden mir melodiös der Name der Kassse und gesundheitliche Weisheiten ins Ohr gesungen. Es war so schlecht gemacht, das mich die Warteschleifenmusik davon abhalten würde, dort Kunde sein zu wollen.
Bei einer sehr großen Anwaltskanzlei, mit vielen vielen Teilhabern, Partnern & Partnerinnen nahm nach dem zweiten Klingeln auch jemand ab. Nein, doch kein Mensch, sondern ein Band begrüßte mich freundlich, sagte den Namen der vielen vielen Teilhaber, Partner & Partnerinnen auf, und als das Band fertig war ging ohne eine Pause dazwischen eine freundliche Dame ran. Sagte nur noch ihren eigenen Namen auf und fragte nach meinem Begehren. Das ist zwar auch eine interessante technische Lösung - woher weiss sie eigentlich, dass sie dran ist und die Bandansage fertig? -, aber beim zuhören müssen, der wegen des langen Kanzleinamens mit den vielen vielen Teilhabern, Partner & Partnerinnen langen Bandansage, dachte ich schon, ich würde außerhalb der Geschäftszeiten anrufen, wollte die Ansage der Geschäftszeiten am Ende nicht abwarten und einfach auflegen. Das will die Anwaltskanzlei mit ... dem Namen bestimmt nicht bezwecken. Es wäre aber beinahe schief gegangen.
Wie eine Anerkennung ist es aber, wenn einem nach geduldigen verharren in der Warteschleife vom Personal der Service-Hotline bescheinigt wird, eine ziemlich gute Frage ausgedacht zu haben und man deshalb gleich mit der "Fachberatung" verbinden will.
Bei einer Hotline des ÖPV habe ich es neulich 11 Minuten ausgehalten. Ich wurde nicht mal runter geworfen. Schrecklich jedoch ist nicht zu wissen, ob man nicht doch gleich dran ist. Wenn ich mich, sagen wir mal bei der Post, anstellen will, sehe ich die Schlange der Wartenden und entscheide ob ich warte oder später nochmal wiederkomme. Aber in einer telefonischen Warteschlange kann ich es nicht hören, wann ich dran bin. Es heißt nur manchmal und auch nicht immer: "Sie werden gleich verbunden". Was mich nicht weiter bringt.
Ich glaube, Warteschleifen können gar keine Philosphie haben. Die Unternehmen folgen damit nur ihrer Philosophie der Kostenersparnis. Kunden haben während des Wartens Zeit darüber nachzudenken, mit welchen bösen Atributten sie ihr Problem ausschmücken können. Service-Mitarbeiter können dann zusehen, wie sie den verärgerten Kunden wieder einfangen, wenn sie überhaupt daran denken und einen solchen Versuch unternehmen.
Ich habe noch niemanden gehört der sagte, du musst unbedingt mal da anrufen, weil die sooo eine tolle Warteschleife haben. Und wenn man dann dran ist richtig drum bettelt, bitte bitte nochmal in die Warteschleife zurück gestellt werden zu wollen.
Aber aus dem Mist der anderen kann ich ja Geld machen. Ich werde anbieten, für die Leute anzurufen, damit sie nicht schreckliche Warteschleifen ertragen müssen. Das übernehme ich und den Auftrag dafür bekomme ich via Internet, in dem die Kunden ein 15-seitiges Formular mit lauter Anklickfunktionen ausfüllen müssen. Natürlich werde ich Musik im Hintergrund laufen lassen und den Button zum abschalten ganz klein irgendwo verstecken.

11. Januar 2009

tres minutos con realidad

Längere Urlaubsreisen, noch dazu in die weite Welt hinaus, wirken bei mir eine ganze Weile nach, was den Erholungseffekt, die eingenommene Gelassenheit und Zufriedenheit betreffen. Die Nachwirkung von 25 Tagen meiner Argentinien-Reise möglichst lange zu bewahren ist mehr oder weniger einfach. Die freien Tage in Form von Feiertagen, die unmittelbar nach meiner Reise stattf anden, haben fast dafür gesorgt, mein Jetlag ins neue Jahr zu schieben. Das winterliche Wetter ist nicht ganz fair, schliesslich bin ich aus dem Sommer gepurtzelt. Alltagshektik und deutsche Gewohnheiten sind momentan noch einfach, bis auf ein gewisses Mass Abstand von ihnen zu halten. Was bleibt ist die Erinnerung, an die frischen Erlebnisse zu bewahren.

Kathrin gab mir den Tip, ich solle unbedingt "Drei Minuten mit der Wirklichkeit" von Wolfram Fleischhauer lesen. Ich habe es getan und Kathrin, Du hast nicht zuviel versprochen.
Nicht nur weil der Roman spannend und schön ist. Ich bin beim lesen alle Strassen nachgelaufen, die auch die Protagonistin Giulietta (was für ein schöner Name) in Buenos Aires gegangen ist. Es war wie ein Film in meinem Kopf, ich fühlte mich immer noch so, als würde ich in der Stadt sein. Nun bleibt mir das Gefühl, noch einmal nach Buenos Aires "zurück" zu müssen. Es ist eine wunderschöne Stadt, von innen gesehen, von aussen nicht unbedingt. Sie bleibt irgendwie fragwürdig. Als wenn die Stadt ein Geheimnis vor mir hat.

Die Vergangenheit der Madres de Plaza de Mayo, Mütter, die sich noch heute, seit über 31 Jahren jeden Donnerstag auf dem Plaza de Mayo versammeln und ihren Protest anbringen, die habe ich nicht gesehen. Denn ich war nur von Sonnabend bis Mittwoch in der Stadt. Es gab tatsächlich nichts, was mir während meiner Reise begegnet ist und irgendwie an die Zeit der Militärdiktatur in den 70er Jahren erinnert. Zwar war ich am Grab von Evita, aber das hatte damit nichts zu tun.
So ging es letztlich auch Giulietta, die erst nach ihrer Rückkehr nach Berlin davon erfahren hat. Genauso wie ich, der ich mich auch erst nach meiner Reise damit beschäftige. 1978 war nicht nur die Fußballweltmeisterschaft in Argentinien!

Es gibt viele Gründe für mich, irgendwann noch einmal nach Buenos Aires zu reisen.