
Deutschlandurlaub ist jedenfalls kein Urlaub von Deutschland nehmen. Definitiv nicht. Denn, im Urlaub oder gar an langen Wochenenden, wie dieses Pfingstwochenende, nehmen die Deutschen keinen Urlaub von sich selbst und schon gar nicht von ihren Tugenden. Die beginne ich langsam immer besser zu verstehen. Jedenfalls das, was andere von den Deutschen halten und glauben. Schließlich muss auch während eines Ausfluges alles perfekt sein. Das habe ich auf meiner ca. 23 Kilometer langen Wandertour zwischen Brodowin und Chorin - und wieder zurück - einmal mehr erlebt.
Woanders grüßen „Backpacker“, wenn sie sich einander begegnen oder überholen. Hier aber nicht. Ich habe mich nach einer Weile entschieden, die mir entgegen kommenden – ich überholte niemanden und mich auch keiner – zu grüßen. Selten grüßte jemand zurück, manche schauen verstohlen und auch gleich weg und tun so, als wäre gar keiner da.
Ein Paar kam mir auf Fahrrädern entgegen und konnte nach gut 2 Kilometern kaum den Zielort Brodowin erwarten. Denn der Weg führte durch den Wald über einen sehr alten Feldsteinweg, der zum Rad fahren wegen der holprigen Abschnitte sichtlich nicht geeignet erschien. „Sie“ fragte mich noch, wie weit es sei. „Er“ hingegen verfluchte den Bürgermeister und wollte ihn ob des Weges am liebsten erschlagen. Was eigentlich, wenn ich der Bürgermeister gewesen wäre? „Er“ hatte wohl Sehnsucht nach einem EU-Norm gemäß geteerten Fahrradweg. Ich wünschte mir interessantere Wandersleute.
Die kamen mir dann auch gleich zu 8 entgegen, in der Art von Studenten aus Berlin. Sie waren so sehr in ihre Gespräche vertieft, dass sie die „gelbe Markierung“ verloren hatten und vergeblich nach dem Denglerstein suchten (Dengler war von 1922 bis 1944 Professor für Waldbau - wieder was gegoogelt/gelernt). Sie waren einfach über das Ziel hinaus geschossen, denn ungefähr 800 Meter vorher hätten sie nach links gemußt, hatten aber die Beschilderung übersehen und liefen immer nur „geradeaus“.
Das alte Bahnhofsgebäude von Chorin ist nun aufwendig saniert worden. Natürlich nicht von der Bahn, sondern privaten Leuten und einem Verein. Der Bahnhof hat nun wieder ein Gesicht. Allgemein geht die Bahnhofskultur in Deutschland spürbar verloren. Nein, eigentlich ist sie schon verloren gegangen. War ein Bahnhof nicht auch immer eine Art Aushängeschild der Stadt? Die meisten sind mit dem Auto unterwegs, da interessiert dieses Tor der Stadt wohl nicht mehr so wie früher. Jeder gute Bahnhof, hatte eine gute Bahnhofskneipe und eine Wartehalle mit Fahrkartenschaltern. Leute kamen zum Bahnhof, nur um zu schauen von wo nach wo die Züge fahren. Heute guckt keiner mehr.
Neben einem Fahrrad-Verleih, einer Touristinformation hat das in Erdrot gehaltene Bahnhofsgebäude auch das Bistro Lindenblatt zu bieten. Es wird von einigen Leuten als Hobby betrieben und hat deshalb nur am Wochenende geöffnet. Mit einer guten Espressomaschine wird jede Art von Kaffee zubereitet. Sehr zu empfehlen ist aber der Kuchen, der wirklich noch wie „zu Hause“ gebacken wird. Wer einen schönen Tag in Chorin verlebt hat, kann bei einem leckeren Latte Machiato am Bahnhof wartend auf den Zug verbringen. Ich habe die Köstlichkeiten schon zwei Mal probiert. Davon werde ich ein anderes mal berichten.
Die 8 Studenten kamen mir später wieder entgegen. Ich fragte sie, ob sie denn nun den richtigen Weg für sich gefunden hätten. Ja, entgegneten sie mir und berichteten davon, wie sie die etwas versteckte Badestelle in Brodowin gefunden hätten, vom Eis essen und vom Hofladen. Die Häuser in Brodowin fanden sich auch ganz toll und wollten von mir noch wissen, ob es wirklich eine Öko-Kommune in Brodowin gibt. Die Antwort gebe ich hier jetzt aber nicht.