9. November 2009

Heute vor 20 Jahren

Wo war ich am 9. November 2009? Ich wurde einige Tage vorher zum Wehrdienst einberufen und landete in der Kaserne der NVA in Niederlehme, ganz in der Nähe von Berlin. Die Pressekonferenz und die ersten Nachrichten haben wir nicht mitbekommen, weil es uns nicht erlaubt war, Radio oder Fernsehen zu sehen. Auf der Kompanie gab es zwar ein Fernsehzimmer, aber der Zutritt war uns nicht erlaubt. Ich meine, dass spät Abends Soldaten aus dem Ausgang zurück kamen und davon erzählten, die Mauer sei auf. Das nahm aber keine so recht für voll und alle gingen schlafen. Ich habe die Nacht des 9. November 2009 verschlafen. Am nächsten Tag passierte meiner Meinung nach auch nichts besonderes, auch nicht in der Kaserne. In den folgenden Tagen ging aber vieles Durcheinander und den Offizieren war schnell klar, dass es drunter und drüber geht im Land.
Ich hatte meinen Einberufungsbefehl im Oktober erhalten und mit diesem in der Tasche zu einigen Demonstrationen in Berlin gegangen. Es war unheimlich, als ich einmal Soldaten, die eine Kette um das Staatsratsgebäude und um die Volkskammer bildeten, gegenüber Stand. Damals fragte ich mich, ob ich da wohl auch bald stehen müsse. Es war ein schrecklicher Gedanke für mich, denn ich wollte da keinesfalls stehen. Ganz im Gegenteil.
Das erste mal durch die Mauer konnte ich erst Ende November gehen, denn der Personalausweis war den Wehrpflichtigen abgenommen, mit dem Wehrdienstausweis konnte man nicht gehen und so musste ich mit einer "Abholgenehmigung" erst einmal meinen Personalausweis wieder abholen. Ich wohnte in Pankow, weshalb ich das erste mal auch über die Bornholmer Brücke gelaufen bin. Mir kamen die Tränen.

Für mich sind die Namen der Geschichte des 9. November 1989 die Namen Riccardo Ehrmann, Günther Schabowski und Gerhard Lauter. Ehrmann, italienischer Journalist, fragte am Ende der berühmten Pressekonferenz nach der Reisefreiheit. Schabowski holte darauf hin einen Zettel aus seinem Stapel, auf dem die Reiseregelung stand. Der Zettel war am selben Tag als Entwurf von Gerhard Lauter verfasst worden, der zu der Zeit Leiter Pass- und Meldewesen war. Das der Ablauf an diesem Tag eine Art von Irrtum war, ist das unglaubliche an der ganzen Geschichte, zu der auch Harald Jäger als diensthabender Leiter des Grenzübergangs Bonholmer Strasse gehört. Denn er hat den Schlagbaum hoch gehen lassen, als die Menschen davor standen und riefen "Tor auf".

Wenn ich heute die Bilder und Filme von damals sehe, überkommt es mich vor Freude noch immer. Der November 1989 gehört zu meinen emotionalsten Momente in meinem Leben.
Foto: Potsdamer Platz, Berlin

Heute bin ich auf Dienstreise in München. Vor 20 Jahren habe ich mir das im Traum nicht vorstellen können. Wenn ich am Abend nach Berlin zurück komme, werde ich zur Bornholmer Brücke fahren.
Ich bin froh, das die Geschichte so verlief. Auch wenn ich in der DDR aufgewachsen bin, ich wünsch sie mir nicht zurück. Denn was ich heute bin, bis heute geleistet habe und erleben durfte, das wäre mir in der diktatorischen DDR nicht vergönnt gewesen.

1 Kommentar:

Sandra hat gesagt…

Den letzten Absatz unterschreibe ich sofort, ich empfinde das ebenso!